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Das geaßte Partybrot

Das geaßte Partybrot | Text: Jim Brutto (2004)

Sie retteten es erst - vor dem Aufessen. Indem sie es nicht aßen. Später retteten sie es noch vor dem Vergammeln. Indem sie es aßen. Das Kleine hatte einfach kein Chance.

PAAAARTYY !!! PAAARTYY-KOST !!! PAAAARTYY-BROOOTEEE !!!

Diese Schreie zerrissen die Ruhe. Und alle stürzten sich auf das Partybrot. Partybrot? Ja und nein. Genau genommen war es reines Butterbrot! Eben noch lag es da, ruhig auf einem Teller, schön garniert zwischen Gürkchen, Maiskölbchen und Tomatenzwergen. Mit seinem romantischen Stilleben war es urplötzlich vorbei, als wie aus heiterem Himmel Dutzende von Fingern an seinem Leib tasteten, seine runden Formen befingerten. Einige davon packten dann kräftiger zu, so, daß es sich nicht wehren konnte. Es wurde hoch in die Luft gehoben, ein paarmal hin- und hergeschwenkt und dann mit einem kräftigen Schubs direkt in die große Kopföffnung einer breit grinsenden, lachenden Person lanciert. Unser Butterbrot hatte keine Chance auf Widerstand. Von dem unmittelbar bevorstehenden Kriegseintriit wurde es völlig überrascht.

Das ward vielleicht ein Gemetzel. An den Kanten fing es an. Sie verteilten es, zerschnitten es, zerhackten es. Mit roher Gewalt bissen sie sogar hinein! Ein Krachen und Knacken zerriß die Stille im Raum, als seine Kruste zerbrach und zerfetzt wurde. Ein einziges Mal schaffte es, mit eben dieser Kruste einen winzigen Schnitt in der Haut über dem Zahnfleisch zu machen. Jetzt schoss auch noch Blut dieser Person aus dieser Wunde, nicht viel, aber es war animalisch. Doch die Person bemerkte davon nichts. Unser Buttterbrot blickte auf die scharfen Zähne in einem gierigen Loch dieser Bestie, Teile seines Leibes wurden ihm herausgerissen, in diesem warmen Maul mit sabberndem Schleim durchtränkt, durchwalkt, zermalmt, ja sogar zerkleinert und angelöst. Es sah nicht mehr gut aus um das Butterbrot.

Von einer dunklen Öffnung tief hinten aus dem Maul drangen Gase, strömten über seinen Leib, wurden in einem kauenden Inferno teils mit eingemischt, teils strömten sie weiter ins Freie. Es war einfach ekelig. Und mittendring sorgte ein schwerfälliger, mit rauhen, nassen Noppen über und über überzogener schwerer Muskel dafür, daß immer mehr Teile sich diesem schleimtriefenden warmen Schlundloch näherten. Es gab kein Entkommen. Aus mehreren, unter Hautfalten gut versteckten, aber äußerst aktiven Drüsen spritzte noch mehr klebriger Schleim, unaufhörlich begleitet von diabolisch schmatzenden Geräuschen, den letzten, die unser Brot bereits völlig benommen noch bei Tageslicht vernahm.

Das Tageslicht wurde immer dunkler, jedesmal, sobald sich die Lippen rhythmisch schlossen, und es wich dann augenblicklich einer dunkelroten Atmosphäre, in der es heiß und feucht zuging. Es war das reine Inferno. Mehrere Klappen mit einer Art Trenn-Automatik erwarteten es vor einem auch nach oben geöffneten Schacht, damit es nicht in den falschen fiel, aus dem wie ein Wechselstrom ständig Luft blies, mal kühle, trockene rein, mal heiße, feuchte raus. Es geriet immer näher in den Sog dieses Paternosters, und dann fiel es, es fiel nach hinten, direkt vor eine dieser Klappen, die den Weg zur Lunge versperrten. Hier war es bereits komplett dunkel und es ging nur noch bergab, es rutschte und glitt über schleimige Wellen und Flimmerhäärchen, direkt einem unregelmäßig und bedrohlich blubberndem Etwas entgegen.

Es war nicht mehr aufzuhalten, und das letzte, was unser Butterbrot noch erlebte, war das Eintauchen in einen sumpfigen Teich saurer Brühe. Der stank und war voller undefinierbarer Stücke unterschiedlichster Größe, die darin herumtrieben und an die Wandungen brandeten. Es war kurz davor, ins Koma zu fallen, denn ging es an seine Substanz und seine Zersetzung begann, unwiderruflich und unaufhaltsam. Während es auch zu solch einem dieser undefinierbaren Teile und Stücke wurde, verlor unser kleines Butterbrot endgültig seine Besinnung. Es fühlte sich wie Kotze. An mehr konnte es sich nicht erinnern.

Als man später Überreste von ihm unter einem Busch im Stadtpark fand, stank es sehr, und lauter dünne Papiertücher mit braunen Flecken lag neben anderem Aas daneben. Fliegen knabberten und schleckten an ihm herum und steckten ihre Rüssel rein. Es war wirklich kein schöner Anblick.

Schnittchen jemand ?