default_mobilelogo

Der doppelte Schnösel

Für mein Innenarchitekturstudium mußte ich auch ein Praktikum machen. Der Oberinnungsmeister (!) einer Tischlerei ließ mich für umme arbeiten; ich lernte nichts. Ich hatte ihn dann auch verklagt. Zuvor hatte er mir nach einem verbalen Streit zwischen seinem Schwiegersohn und mir fristlos gekündigt.

Worum es bei dem Streit ging?
Der Schwiegersohn arbeitete als Meister auch in dem Betrieb. Er duzte alle jüngeren Mitarbeiter, also auch mich. Eines Tages ging er mit irgend einem Kunden durch den Betrieb und führte die Räume und uns vor. Dabei duzte ich ihn auch, wie früher schon und sonst auch immer. Später kam er alleine zu mir und beschwerte sich und SCHRIE mich an, wieso ich ihn denn duze:

"Wie kommst Du dazu, mich zu duzen? Ich bin schließlich doppelt so alt wie Du, Du Schnösel!" Ich blieb gelassen und sagte: "Dann bist Du auch ein doppelter Schnösel!" Der Kerl rastete nun völlig aus, rannte lauthals schreiend durch den ganzen Betrieb und erzählte es jedem, während er mit den Armen fuchtelte und immer wieder mit dem Finger auf mich zeigte: "DER DA hat zu mir gesagt, ich sei ein doppelter Schnösel! DER DA hat zu mir gesagt, ich sei ein doppelter Schnösel!"

Zu geil. Eine filmreife Szene. Ich habe mich köstlich amüsiert über soviel Doofheit! Was für ein Depp als Schwiegersohn! Mir hat es nichts ausgemacht; ich wurde hier eh nur ausgenutzt; nun sollte ich mich aber auch noch beschimpfen lassen? Nöö. Ohne mich!

Ich arbeitete noch etwa zwei Wochen in dem Betrieb, wurde aber jetzt im Außendienst eingesetzt. Das war auch gut so. Als Beifahrer war ich Hilfskraft beim Ausliefern der verschiedenen Möbel und Einbauteile. Besonders gut habe ich noch den Tag in Erinnerung, an dem Fensterrahmen zu einem Rohbau zu bringen waren. Der Geselle allerdings hatte keine große Lust dazu und fuhr einen großen Umweg, um an einem großen See, dem etwa 30 km entfernt gelegenen Steinhuder Meer, um frisch geräucherte Aale zu kaufen und zusammen mit ein paar Flaschen Bier und mir zu verzehren. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil das doch Betrug sei, aber der meinte nur "Ach was! Der Chef bescheißt uns auch andauernd. Ist schon in Ordnung. Das machen wir öfters. Das merkt der nicht." Stimmt, er hat es nicht gemerkt. Aber ich hatte schon ein mulmiges Gefühl dabei. Aber auch nur kurz. Irgendwie hatte auch ich mir das verdient, wegen seiner Beleidigung. Egal also, das Wetter war gut, blauer Himmel, es war warm, Sonnenschein pur, die Umgebung grüne Natur, Felder und Wiesen. Das Bier hat damals auch geschmeckt, glaube ich.

Ich verließ diese Klitsche bald und suchte mir einen als Hilfsarbeiter bezahlten Fließbandjob in der Möbelbranche, bekam den recht schnell, und stellte zuvor die Bedingung, daß ich meine Zeit als Praktikumszeit bescheingt haben muß. Was auch gemacht wurde. Ist nun über 30 Jahre her. So geht's nämlich auch, und sicher geht das auch heute noch. Da hatte ich sogar noch mehr gelernt als zuvor. Nur gab es da leider keine Ausflüge mehr zu geräucherten Aalen. Auch wenn die nie zu meinen Lieblingsfischen gehörten. Sind mir zu fettig.